Die kürzlich erschienene Studie der Eiif (European Industrial Insulation Foundation) fördert interessante Erkenntnisse zum Energiesparpotential durch Dämmsysteme in der Industrie zutage.
Nachfolgend werden die Chancen für die Schweizer Wirtschaft erläutert:
Die EiiF Studie
Die Studie, welche im März 2021, in der zweiten Ausgabe erschienen ist, hat die bestehende Dämmpraxis in Europa untersucht. Die Studie kommt zum Schluss, dass immer noch ein erheblicher Teil der zugeführten Energie im Industriesektor wegen nicht vorhandenen oder beschädigten Dämmungen verloren geht. So konnte die Studie feststellen, dass europaweit bis zu 14 Mtoe oder rund 40 Mt CO² eingespart werden könnten, wenn man die Dämmvorgaben der VDI 4610, Energieklasse C konsequent anwenden würde. Dies entspricht dem Energieverbrauch von zehn Millionen europäischen Haushalten oder 20 Millionen Autos.
Situation in der Schweiz
Die Schweiz folgt mit der Energiestrategie 2050 den globalen Bemühungen zur Verringerung der CO² Emissionen und dem Bestreben für eine nachhaltige Zukunft. Der Dämmstandard in Industrieanalagen ist im europäischen Vergleich hoch. Allerdings zeigt die Studie, dass auch hierzulande noch viel Luft nach oben besteht: In der Schweiz könnten jährlich energieäquivalent bis zu 123 Kt Öl oder 325 Kt CO² eingespart werden. Dies entspricht dem Verbrauch von 86 000 europäischen Durchschnittshaushalten oder 184 000 Autos.
Ein noch eindrücklicheres Beispiel entsteht, wenn man diese 123 Ktoe in Watt umrechnet: Man erhält dann eine Leistung von zirka 1430 gW/h pro Jahr. Zieht man nun die Statistik über die Stromproduktion der Kernkraftwerke in der Schweiz heran, kann festgestellt werden, dass dies in etwa der halben durchschnittlichen Jahresproduktion 2017/2018 von Beznau 2 entspricht. Oder nochmals anders ausgedrückt könnte man zirka 70 Milliarden Tassen Kaffee damit aufheizen.
Kosten vs. Nutzen
Der Druck, Investitions- und Instandhaltungskosten zu senken, führt paradoxerweise dazu, dass teilweise auf Dämmungen, insbesondere bei Armaturen und Detailanschlüssen, sowie erschwert zugänglichen Anlageteilen, verzichtet wird. Diese Herangehensweise führt allerdings dazu, wenn man die Betriebskosten des gesamten Lebenszyklus einer Anlage betrachtet, dass der Betrieb im Endeffekt teurer wird, als er eigentlich sein müsste:
11% Investitionskosten in Dämmungen + 89% Kosten
für den Energieverlust = 100%
19% Investitionskosten in Dämmungen + 58% Kosten für den Energieverlust = 77%
In obiger Grafik wird ersichtlich, dass die Gesamtkosten (auf 15 Jahre gerechnet) um 23 % sinken, wenn bei einer Anlage alle dämmbaren Oberflächen vollständig gedämmt werden. Hierzu muss beachtet werden, dass die Studie im Mittel von lediglich 6 % Oberfläche ausgeht, welche gedämmt werden könnte, aber nicht oder nur ungenügend gedämmt wurde.
Investitionskosten
Ein wesentlicher Punkt ist die Frage: Wie hoch wären die Investitionskosten um dieses Potenzial auszuschöpfen? Gemäss unseren Schätzungen entspricht das Einsparpotenzial von nicht oder schlecht gedämmten Flächen bei einem durchschnittlichen Energiepreis von 6 – 8 Rappen pro kW/h* zirka 100 Millionen Franken pro Jahr. Gemäss den Eiif Studiendaten wird im Mittel mit einer Amortisationszeit von zwei Jahren gerechnet. Dies würde einem gesamtschweizerischen Investitionsbedarf von zirka 200 Millionen Franken entsprechen. Dem gegenüber stehen jedoch die enormen Einsparungen über den gesamten durchschnittlichen Lebenszyklus einer Anlage von 15 Jahren. Diese summieren sich, bei 100 Millionen Franken pro Jahr, gesamthaft auf einen Betrag von etwa 1.5 Milliarden Schweizer Franken auf. Die Kosten bzw. Einsparungen der CO² Emissionen sind hier noch nicht berücksichtigt.
Berechnungsbeispiel Dampfleitung DN100
Wie das nachfolgende Berechnungsbeispiel aufzeigt, kann die Payback-Zeit einer technischen Dämmung durchaus auch kürzer als 2 Jahre sein:
Gemäss dem Merkblatt «Technische Dämmung in der Gebäudetechnik» von suissetec empfiehlt Isolsuisse, bei einer Temperatur von über 90°C bei einer DN100 Rohrleitung, eine Dämmstärke von 120mm (λ > 0.03 W/mK).
Bei einer angenommenen Temperatur von 150°C einer Rohrlänge von zehn Meter und 6000 Betriebsstunden / Jahr, schlägt hier ein ungedämmter Energieverlust von zirka 29 600 kW/h pro Jahr zu buche. Wird nun eine Dämmung installiert, kann der Wärmeverlust auf zirka 2110 kW/h pro Jahr oder zirka 93 % vermindert werden. Die Investition wäre im Mittel (je nach Temperaturdifferenz, Energiepreis und Aufwand für die Dämmung) sogar nach zirka elf Monaten amortisiert. Mit einem Wärmestrom von etwa 35 W/m ist, in Anlehnung an die VDI 4610, auch die Anforderung an die Energieklasse C erfüllt. Alleine in diesem Beispiel könnte der Ausstoss von CO² um die 6600 kg pro Jahr vermindert werden.
Vorteile für Schweizer Unternehmen
Die Einsparungen hätten nicht nur Auswirkungen auf die unmittelbaren Ausgaben für die Energiekosten. Durch effizientere Prozesse können zum Beispiel auch Einsparungen im Bereich der CO² Zertifikate erzielt werden. Zudem ist zu erwähnen, dass die öffentliche Hand sowie verschiedene Organisationen, im Rahmen des Förderprogramms «Energie und Mobilität» Unternehmen mit Fördermitteln unterstützen, welche sich entscheiden, in Energieeffizienz zu investieren (mehr dazu auf www.energiefranken.ch). Insgesamt könnten die Produktionskosten gesenkt und die Wirtschaftlichkeit erhöht werden, was einen positiven Effekt auf die Wettbewerbsfähigkeit von Schweizer Unternehmen hätte. Auch das Isoliergewerbe in der Schweiz könnte von grösseren Investitionen im Bereich von Dämmungen profitieren und mehr Arbeitsplätze schaffen. Des
Weiteren sind auch Effekte im Bereich des Personen und des Brandschutzes zu beachten, welche wiederum zu weniger Unfällen und damit zu tieferen Kosten für die Unfallversicherungen führen. Davon können auch Arbeitnehmer, welche nicht in der Isolierbranche beschäftigt sind, profitieren.
*Preis pro kW/h basierend auf den Energiepreisen für Industriekunden gemäss Monitoring Bericht Energiestrategie 2050 des Bundesamtes für Energie, für Heizöl extraleicht und Erdgas.